«Ich möchte, dass man BIKAS intern und extern vertraut»
Seit Anfang 2025 leitet Stefan Gamper Bildung Kaufleute Schweiz (BIKAS). Wer ist der neue Kopf an der Spitze des meistgewählten Lehrberufs der Schweiz? Wie hat er seinen Einstieg erlebt? Welche Prioritäten stehen auf seiner Agenda?
Stefan: Was ging dir am ersten Arbeitstag auf dem Weg ins Büro durch den Kopf?
Das ist gefühlt schon sehr lange her … (lacht). Geblieben sind mir viele Eindrücke, insbesondere die Ankunft am Bahnhof Bern und der Empfang durch das Team im Büro. Mich haben eine schöne Stadt und ein sympathisches Team erwartet. Was will man mehr?
Vorweg ein paar Entscheidungsfragen, um dich näher kennenzulernen. Einzelkämpfer oder Teamplayer?
Teamplayer. Ich wünsche mir, dass sich alle im Team einbringen. Ich lege grossen Wert auf Zusammenarbeit im Team, aber manchmal ist es notwendig, dass jemand Verantwortung übernimmt und eine Entscheidung trifft, damit das Team weiterkommt.
Kaufmännische Grundbildung oder Detailhandel?
Eine heikle Frage … Als BIKAS-Geschäftsleiter sage ich natürlich «kaufmännische Grundbildung». Mein Herz schlägt aber auch für den Detailhandel. Nach meiner kaufmännischen Grundbildung stieg ich in den Detailhandel ein – zuerst an der Verkaufsfront, später in der Verwaltung. Ich ging zurück ins Büro, weil man dort die Entwicklung von Unternehmen mitbestimmen kann.
Buchhaltung oder Marketing?
Marketing, Marketing, Marketing. Man steht im Austausch mit Menschen und kann das Angebot mitgestalten. Buchhaltung habe ich erst im Verlauf meiner HF-Ausbildung wirklich verstanden, da ich dank meiner praktischen Erfahrungen im Berufsleben die Theorie besser einordnen konnte.
Deutsch oder Italienisch?
Sowohl als auch. Ich bin Doppelbürger, zu Hause haben wir Italienisch gesprochen. Sprachen bedeuten mir viel. Sie ermöglichen es, mit Menschen vertiefte Gespräche zu führen.
Migros oder Coop?
Migros. Einen Grossteil meines Arbeitslebens habe ich in der Migros verbracht. Das Unternehmen hat meine Laufbahn massgeblich geprägt und mir ermöglicht, ein grosses Netzwerk mit höchst engagierten Menschen aufzubauen. Zudem sind während dieser Zeit viele bleibende Freundschaften entstanden.
Was geht dir nach rund fünf Monaten auf dem Weg ins Büro durch den Kopf?
Was alles an Arbeit ansteht ... (lacht). Im Ernst: Ich habe in den letzten Monaten auf einer Tour de Suisse die Exponent:innen der Branchen und der Verbundpartner kennengelernt. Bei diesen Gesprächen habe ich viel Goodwill, Offenheit und Gestaltungswillen gespürt – aber auch das Bedürfnis nach Führung. Es gibt viel zu tun, aber auch viele Menschen, die engagiert an der Zukunft der kaufmännischen Grundbildung mitwirken wollen. Mit diesem Gedanken bzw. guten Gefühl gehe ich zur Arbeit.
Was beschäftigt dich aktuell am meisten?
Die optimale Priorisierung zwischen operativ dringlichen und strategisch wichtigen Themen und Arbeiten. Einerseits optimieren und stärken wir die Organisation, andererseits treiben wir die Qualitätssicherung der Reform 2023 voran. So entwickeln wir mit Hochdruck verschiedene Arbeitsinstrumente – beispielsweise die QV-Wegleitungen.
Gab es in deinen ersten Monaten auch Erfolgserlebnisse?
Klar. Ein Meilenstein ist die digitale Plattform für das schulische Qualifikationsverfahren. Da ist es uns gelungen, in kurzer Zeit eine überzeugende Lösung zu finden. Die Plattform kommt diesen Sommer bei den EBA-Prüfungen erstmals zum Einsatz. Die Erfahrungen werden wir für die Ausweitung auf die EFZ-Prüfungen nutzen.
BIKAS hat sich in den letzten Jahren organisatorisch neu aufgestellt und beansprucht die Führungsrolle im kaufmännischen Berufsfeld. Wo steht dieser Prozess?
Meine Eindrücke sind sehr positiv: die Integration der Ausbildungs- und Prüfungsbranchen in die verschiedenen Ressorts von BIKAS bewährt sich, der neue Vorstand übernimmt Verantwortung in strategischen Themen, der interne Erfahrungs- und Wissensaustausch wird immer besser. Auch gegen aussen gewinnen wir an Akzeptanz, insbesondere bei Berufsfachschulen und Verbundpartnern. Wir müssen aber noch mehr tun, um unserem Anspruch gerecht zu werden. Deshalb arbeiten wir an unseren Positionen und an der Kommunikationsstrategie.
Mit der Bildungsreform 2023 wurde die kaufmännische Grundbildung auf Handlungskompetenzorientierung umgestellt. Das gab zu reden. Ist die Reform in der Praxis angekommen?
Puh … (lacht). Veränderungen sind immer anspruchsvoll und brauchen Zeit. Erst recht im meistgewählten Lehrberuf der Schweiz, bei dem so viele Berufsfachschulen, Ausbildungsbetriebe und ÜK-Organisationen mitwirken. Dass es zu reden gibt, ist nicht erstaunlich. Wir wollen sicherstellen, dass die Diskussionen auf Fakten basieren. Zu diesem Zweck bauen wir eine Evaluation auf. Ziel ist es, die Qualität der Reform mit einem strukturierten Fragebogen zu erheben, der national an allen Lernorten zum Einsatz kommen wird. So werden wir sehen, was gut läuft und wo Verbesserungspotenzial besteht.
Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf die kaufmännische Grundbildung und damit auf BIKAS zu?
Die grosse Unbekannte heisst Künstliche Intelligenz (KI). Ich bin überzeugt, dass KI Fragen für die ganze Gesellschaft und nicht nur für die kaufmännische Grundbildung aufwirft. Mit der Reform 2023 haben wir sichergestellt, dass technologische und andere neue Ansprüche rasch in die Ausbildung integriert werden können.
Keine Angst vor «KI statt KV» – dass der Beruf obsolet werden könnte?
Nein. Kaufmännische Fachleute wird es immer brauchen, um Produkte und Dienstleistungen zum Erfolg zu führen. Die Arbeit verändert sich, der Beruf bleibt.
Carte blanche zum Schluss: Was willst du als BIKAS-Chef unbedingt erreichen?
Ich möchte, dass man BIKAS intern und extern vertraut, dass wir nahe an der Praxis sind und dass wir vorbehaltlos über die Zukunft der kaufmännischen Grundbildung und von BIKAS diskutieren. Zudem wünsche ich mir, dass wir nach aussen geeint und stark auftreten.

Zur Person
Stefan Gamper (40) ist mit einer kaufmännischen Grundbildung ins Berufsleben gestartet. Es folgten Ausbildungen zum Detailhandelsspezialisten FA und zum Betriebswirtschafter FH sowie Weiterbildungen zum Ausbilder SVEB 1 und ein CAS in Digital Innovation. Stefan Gamper arbeitete zwischen 2015 und 2022 für den Migros-Genossenschafts-Bund – zuerst als Leiter Berufsbildung, später als Head Young Talents und als Head Competence Center Young Talents, Corporate Health, Diversity & Inclusion. Danach war er bis Ende 2024 als Projektleiter Lehrstellenförderung beim Kanton Zürich tätig.