BIKAS

«Diese Reformprojekte sind ‹too big to fail›»

Das Projekt «Kaufleute 2022» tritt in die Umsetzungsphase. Der Kanton Zürich hat in einer Vorstudie evaluiert, was das für die Berufsfachschulen bedeutet. Im Gespräch: Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich.

Welche bildungspolitische Bedeutung hat das nationale Projekt «Kaufleute 2022»?
Mit den beruflichen Grundbildungen im kaufmännischen Berufsfeld und im Detailhandel werden per 2022 die beiden grössten Berufsfelder einer Totalrevision unterzogen. Diese Tatsache verdeutlicht bereits die bildungspolitische Bedeutung des Projektes. 2019 stammten schweizweit 22 Prozent der Lehrabschlüsse – das waren absolut 13‘500 von 61‘000 – aus den kaufmännischen Grundbildungen. Betroffen sind 70 Berufsfachschulen mit rund 4‘000 Lehrpersonen, für die die künftige Ausrichtung des Unterrichts auf Handlungskompetenzen einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Zudem muss die Ausbildungsbereitschaft von zig-tausend Lehrbetrieben erhalten werden. Diese Herausforderung wird durch die von der Corona-Pandemie verursachten Rahmenbedingungen zweifelsohne noch vergrössert.

Der Kanton Zürich hat in einer Vorstudie untersucht, was «Kaufleute 2022» für die Berufsfachschulen bedeutet. Warum?
Wir erkannten bereits früh, dass vor allem die Umstellung von der Fächer- auf die Handlungsorientierung für die Schulen organisatorisch als auch bezüglich der Weiterbildung der Lehrpersonen eine grosse Herausforderung darstellt. Jedoch konnten wir den effektiven Handlungsbedarf nicht abschätzen. Deshalb beauftragten wir Prof. Dr. Manfred Pfiffner von der PH Zürich mit dem Erstellen einer Vorstudie, um diese Fragen zu klären. Parallel dazu erarbeitete eine Gruppe von Lehrpersonen basierend auf dem provisorischen Tätigkeitsprofil und unter Leitung der Ectaveo AG, die auf Bildungs- und Organisationsgestaltung spezialisiert ist, Musterunterrichtseinheiten. So konnte abgeschätzt werden, was die Umstellung für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts konkret bedeutet.

Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Vorstudie?
An den Berufsfachschulen muss sich ein kollektives Verständnis für die Orientierung an Handlungskompetenzen entwickeln. Die Vorbereitung des Unterrichts setzt disziplinäres und interdisziplinäres Wissen voraus. Zudem muss die Lehrperson die Lern- und Arbeitssituationen des Lernenden im Betrieb kennen. Die ganze Umsetzung ist für die Lehrpersonen ein Paradigmenwechsel, der auch deren Rolle verändert. Die Lehrpersonen werden intensiver zusammenarbeiten und sich vertiefter absprechen müssen, als dies heute der Fall ist. Daraus resultiert ein beträchtlicher Weiterbildungsbedarf. Die Umsetzung erfordert zwingend Lernmedien, die auf die Handlungskompetenzen ausgerichtet sind. Da Handlungskompetenzbereiche die heutigen Fächer ersetzen, müssen auch die Schulorganisation und der Stundenplan grundlegend angepasst werden.

Bald beginnt die Umsetzungsphase. Was erwarten Sie von der SKKAB als Trägerin des Berufs «Kauffrau/Kaufmann EFZ»?
Die SKKAB ist, grob gesagt, verantwortlich für die Erstellung und Einführung der betrieblichen Umsetzungsinstrumente sowie für die Einführung der Neuerungen bei den Lehrbetrieben und in den überbetrieblichen Kursen. Hierbei wird sie von den Kantonen unterstützt. Ebenfalls ist sie für die Erstellung der notwendigen Unterlagen für das Qualifikationsverfahren verantwortlich.

Wie sehen Sie die Rolle der Kantone bei der Einführung der Reform?
Die Kantone verantworten, wiederum grob gesagt, die Einführung an den Berufsfachschulen, welche auch die Weiterbildung der Lehrpersonen umfasst. Die SKKAB unterstützt diese Arbeiten, indem sie die notwendigen Lernmedien bereitstellt. Die Kantone sind darüber hinaus für die Aufsicht und eine allfällige Überprüfung oder Ergänzung der Bildungsbewilligungen der Lehrbetriebe zuständig.

Ein verbundpartnerschaftliches Gremium koordiniert die Einführung der Reformprojekte «Kaufleute 2022», «verkauf 2022+» und «Neuausrichtung Büroassistent/in EBA». Ein solches Gremium ist ein Novum in der Berufsbildung. Was versprechen Sie sich davon?
Diese grossen Reformprojekte sind «too big to fail». Aufgrund der Grösse und der Komplexität der Umsetzung kamen die Verbundpartner zum Schluss, diese national zu koordinieren und die Finanzierung der notwendigen Arbeiten sicherzustellen. Damit soll eine möglichst einheitliche Umsetzung in den Kantonen erreicht werden.

 

Zur Person

Dr. Niklaus Schatzmann leitet das Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich seit September 2017. Er ist Mitglied des Vorstandes der Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) und vertritt diese im nationalen Koordinationsgremium (NKG) der Verbundpartner zur Umsetzung der Reformen im Detailhandel und in der kaufmännischen Grundbildung. Seit Januar 2021 ist Niklaus Schatzmann als Vertreter der Kantone Mitglied der Tripartiten Berufsbildungskonferenz. Diese steuert die Berufsbildung verbundpartnerschaftlich auf strategischer Ebene und entwickelt sie weiter.

Alle Meldungen